Erwachsen werden sucks. Das sage ich in letzter Zeit oft. All diese Entscheidungen, die mittlerweile lebensverändernd sein können. Konflikte, die über einen bösen Zettel, der in den Ranzen gesteckt wird, hinausgehen oder auch Ängste, die einem gar nicht mehr zu unrealistisch scheinen, wie noch vor ein paar Jahren, als der Fußweg von der Schule nach Hause fast das Schlimmste im Leben war. Zurückblickend erkennt man dann doch in seinen Zwanzigern, dass die Probleme zwischen 14 und 20 nur kleine Fliegen sind, die dem Fahrtwind an die Scheibe folgten. Und sie werden weggewischt von den großen Scheibenwischern, die den Blick auf die wirklich großen Probleme freigeben. Die Probleme der Erwachsenen, die durch die Erwachsenenwelt bestimmt, ja überhaupt ausgelöst werden. Früher bekam man Postkarten von Freunden aus dem Urlaub, heute Rechnungen und Mahnungen und Belege dafür, dass die GEZ einen doch immer und überall findet. Früher war es schlimm, wenn der Schwarm nicht zurück schwärmte aber es war auch nach einer Woche schon Geschichte, weil das junge, naive Herz schnell und ohne Zweifel liebt. Heute ist man froh, wenn der Partyflirt sich nicht als Serienkiller oder Ehemann herausstellt. Und man sehnt sich nach den Zeiten, in denen von den Eltern auferlegter Hausarrest dafür sorgte, dass soziale Kontakte auf Pflichtveranstaltungen wie die Schule beschränkt wurden. Denn heute muss man für soziale Auszeiten Ausreden erfinden oder gilt als seltsam oder Eigenbrötler. Aber je mehr ich mich mit mir selbst und meiner Umgebung, meiner Geschichte, meinen Ängsten und Sehnsüchten auseinandersetze, desto mehr verstehe ich, dass viele meiner Erwachsenenprobleme die Ausläufer von Problemen sind, die ich schon als Kind hätte angehen sollen und es doch nicht tat. Denn neben den verflossenen Liebschaften, den Streitigkeiten um das gleiche Oberteil mit Freundinnen oder von den Eltern vorgegebene Schlafenszeiten gab es auch Dinge, die mein junges Ich erschüttert haben. Die mein naives, leuchtendes Herz eingefangen und verängstigt haben. Aber abgehärtet sein, taff werden für das harte Leben als Erwachsener, das ist wichtig. Was dich nicht umbringt macht dich stärker. Und man wächst, der Körper wie auch der Geist und gestern musste man noch fragen, ob man Schokolade essen darf und heute frühstückt man Pizza. Und die Fragen, die unerfüllten Wünsche, die Ängste, die damals für meine Welt groß genug waren, um mich nachts heimzusuchen, die sind einfach geblieben. Mein inneres Kind also. Wikipedia spuckt da eine Menge zu aus, davon gehört habe ich aber das erste Mal in der Klinik. Und wahrscheinlich trifft es nicht auf jeden zu, aber auf mich tut es das. Mein inneres Kind ist die ständige Erinnerung daran, dass ich verletzlich war, schwach, verwundet wurde. Und ich habe mich dafür geschämt und es gehasst und es hat mich viel Kraft gekostet, aber ich konnte meine Augen vor ihm verschließen. Dann musste ich einsehen, dass es so nicht funktioniert, mir ging es ziemlich scheiße und mal wieder besser und wieder schlechter und das ist so mein Leben. Jetzt ist 2018. Und ich rede mittlerweile mit dem Kind in mir, mit der Kiki von damals. Sage, dass es okay ist, traurig zu sein über dies und jenes und Wut auch dazu gehört. Nur wenn sie es dann zulässt und ich sie dabei anschaue, wahrnehme, dann bin auch ich traurig und wütend. Und irgendwie scheine ich trotz meiner großen Klappe so sensibel zu sein, dass ich das muss. Denn wenn ich sie ignoriere, die kleine Kiki mit ihren Sorgen und Ängsten und Gefühlen, dann wissen wir ja, wie das endet. Und dabei dachte ich immer: harte Schale, stahlharter Kern. Aber in mir drin ist neben dem Drachen anscheinend auch viel Platz für Marshmallows und Gefühlsgirlanden. Ich bin sensibel. Das zu schreiben sorgt für Gänsehaut. Weil es wie Schwäche einräumen ist. In meiner Welt voller arbeitswütiger Roboter und ambitionierten Weltverbesserern scheint Sensibilität ein Merkmal für Schwäche zu sein. Du lässt Dinge zu nah an dich heran, du nimmst dir vieles zu sehr zu Herzen. Du musst da drüber stehen, nur die Harten kommen in den Garten. Aber seitdem ich aufgehört habe, meine Gefühle in eine Kiste zu sperren, kommen sie einfach hoch, nehmen mich ein, schalten meinen Kopf aus. Ich habe sie von der Leine gelassen und jetzt springen sie oft um mich herum und toben in meinem Herzen um die Wette. Aber diese Sensibilität, diese Feinfühligkeit habe ich nicht nur mir selbst gegenüber. Ich spüre sehr schnell, wenn es bei meinem Gegenüber Dysbalancen gibt. Emotionale Kälte in einem Raum fällt mir sofort auf. Stimmungsschwankungen bei anderen, seien sie auch nur minimal, pulsieren in meinem Körper mit. Vielleicht ist das der Grund, wieso sich viele Menschen in meiner Anwesenheit wohl fühlen, ich bin ihnen sehr schnell auf einer Ebene verbunden, die sie mit anderen nicht haben. Beim Schreiben dieser Zeilen wird mir schlecht. Eingebildeter kann man wohl nicht klingen. Aber es ist wahr, ich weiß das. Und dazu zu stehen, dies als eine positive Eigenschaft wahrzunehmen, ist ein ständiger Kampf. Nicht nur weil mir Bescheidenheit anerzogen wurde, sondern auch weil ich mich oft selbst gar nicht leiden kann. Ich kann aber nachvollziehen, wenn man sich in der Anwesenheit von jemandem wohl fühlt, der sich dir zuwendet. Der auf dich eingeht, dich im besten Fall versteht. Und mein emotionales Spektrum deckt für mich manchmal unerträglich viel ab, ich kann also vieles verstehen und nachvollziehen. Ich kann mich in andere hereinversetzen, bin empathisch. Und gestehe jedem seine Ängste zu, sind sie auch noch so irreal. Emotionen von anderen aufzunehmen, zu verarbeiten, sie nicht als die eigenen zu identifizieren und zu trennen können kostet mich viel Energie, das vergesse ich sehr oft. Weil es automatisch passiert, dieses Hereinlassen und Hineintreten in andere. Ich bin so, kann mich nicht dagegen wehren. Denn wenn ich aufhöre, so zu sein, dann schreit Klein-Kiki wieder rum, gibt dem Drachen Futter und der macht mir mein Leben schwer. Die Balance zu finden scheint der Schlüssel. Aber wie zur Hölle schafft man das?
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