„Ist doch schon ein bisschen schizophren, dass du einerseits so viel Angst vor dem Neuen und alten Geistern hast und dich gleichzeitig Dinge traust, die für viele andere unvorstellbar sind.“ Das stellt Paps bei einem unserer Telefonate fest, dir wir seit Jahren mehrmals in der Woche führen. Mal ruft er an, mal rufe ich an. So bleiben wir verbunden, erzählen uns alltägliche Dinge, bringen uns auf den neusten Stand. Und der tolle Mann am anderen Ende der Leitung hat Recht, irgendwie ist es paradox, schizophren. Die Ängste, die ich in mir trage, die mich aufwühlen, lähmen, kleinmachen, die sind ja nicht erfunden. Und dass ich ein expressionistisches Wesen habe zeigt nicht nur der Blog, auch die Videos oder meine Amateur-Bühnenauftritte. Aber widerspricht sich das? Meine Versagens-Angst sollte doch etwas anderes auslösen. Oder? Einen Tag vor meinem ersten Comedy-Auftritt habe ich mich wirklich gefragt, wieso ich mich in so eine enorme Drucksituation bringe. Mir geht der Stift, weil ich Angst habe, mich zu blamieren. Und doch melde ich mich für so einen Quatsch an. Ich habe eine Heidenangst davor, von jemand anderem abhängig zu sein, mich zu fest an jemanden zu binden und ziehe doch tatsächlich mit meinem Freund zusammen. Ich hatte immer so furchtbar große Angst, als durchgeknallte Alte zu gelten wenn jemand von meinen Drachenkämpfen erfährt, und mir fällt nichts Besseres ein, als einen öffentlichen Blog zu beginnen und meine Visage kackfrech ins Word Wide Web zu schießen. Und ich mache mir vor jeder Veröffentlichung eines Beitrags fast in die Hose und schreibe ja doch relativ regelmäßig neuen Quatsch zusammen, der den Weg an die Öffentlichkeit findet. Wat is‘ denn los mit mir?! Bin ich völlig wahnsinnig? Bin ich noch durcher als durch und merke nicht mal, dass ich in den letzten Monaten nicht bergauf sondern immer weiter bergab bis in eine Grube voller Treibsand gelaufen bin? Es fühlt sich nicht so an. Es fühlt sich an, als hätte mich der ganze Beef mit meinem Echsenroomie noch mehr angetrieben, ihm die Stirn zu bieten. Klar hatte ich richtig beschissene Zeiten. Meine Texte spiegeln zwar nicht eins zu eins meine Tagesform wider aber sie fassen doch ganz gut die Gefühlsabschnitte zusammen, die mich tage-, wochen- oder einfach phasenweise auf Trapp halten. Und da waren ja auch düstere Themen dabei. Eigentlich fast ausschließlich schwere Kost. Aber als mein Leuchten zurückkam, als die guten Zeiten wieder mehr als nur Stunden anhielten, da kam der Hunger. Dieser wahnsinns Hunger. Der Hunger auf Wahnsinn. Auf mein Ich, das oft als verrückt oder durchgeknallt betitelt wird – im positiven Sinne wurde mir versichert. Ich glaub das einfach mal. Ich bin nicht wie die meisten, das ist mir schon bewusst. Aber in dunklen Stunden sehe ich das verständlicher Weise negativ. Die Alte hat ’nen Knacks. Kiki war in der Klapse, kein Scheiß. Ja, kein Scheiß. Aber ich war davor auch schon selten so wie andere. Es gibt nicht nur eine Kiki in mir drin, da sind mehr. In der Klinik wurde ich gefragt, ob ich Selbstgespräche führe. Natürlich, wer tut das denn nicht? Ich denke es ist dabei wichtig, dass man weiß, dass es nicht verschiedene Persönlichkeiten sind. Sehen die Ärzte da nicht so, war ziemlich anstrengend, ihnen diesen Unterschied als für mich wahr zu verklickern. Aber ich kann doch damit nicht alleine sein? Ich besitze viele Seiten, bin vielschichtig. Das zeigt mir zum Beispiel meine Freunde-Agenda. Die unterschiedlichsten Menschengruppen und –typen finden sich unter meinen Liebsten. Ganz selten lerne ich Menschen kennen, mit denen ich wirklich rein GAR NICHTS gemeinsam habe. Keinen einzigen Kontaktpunkt. Der nicht mit mindestens einer von meinen Seiten konform ist. Und eine dieser Seiten, die der ängstlichen Trulla, die Veränderungen hasst und Neues fürchtet wie die kleine Kiki die Einsamkeit, die ist das Nest des Drachens. Darin fühlt er sich wohl, findet er ja auch genug Futter. Und wenn äußere Umstände dazu führen, dass diese Schicht aufgewirbelt wird und der Drache erwacht und tobt und randaliert, dann sind die anderen Schichten Nebensache. Dann vergesse ich sogar, dass sie da sind. Denn diese eine Schicht brennt und zischt und lodernde Flammen aus Angst, Wut und Schmerz bringen mein Innerstes zum Kochen und lassen mein Herz fast zerreißen. Aber wenn ich mich um die verbrannten Felder, den kreischenden Drachen und die emotionalen Brandbeschleuniger gekümmert habe und sich der Sturm langsam legt, dann kann ich den Kopf wieder heben und auch meine anderen Seiten wahrnehmen. Ach, da war ja was: Ich bin mehr. Und eine andere Seite von mir, die aber nicht weniger zu mir gehört, die packt den Drachen an den Eiern, schwingt sich auf seinen geschuppten Rücken und rammt ihm die Sporen in die Flanken. Dann spannt er die ledrigen Flügel und ich schaffe es, mir den langersehnten Höhenflug zu genehmigen, der mir zwar das Schlachtfeld der vergangenen Zeiten zeigt aber eben auch, wie viel Weite vor mir – oder eher in mir – liegt. Wie viel es da noch gibt, was genauso gehört, nach außen getragen werden will. Dann stehe ich auf einmal in einer schnuckeligen Kneipe, die man auch für eine Bar halten könnte, ihr das aber den Charme nehmen würde, und bringe bekannte Münder und unbekannte Bäuche zum Lachen. Mit meinen eigenen Worten, mit meiner Art zu erzählen, völlig beabsichtigt. Kalkuliert. Weil ich weiß, dass ich es kann. Weil ich diese Seite von mir kenne und sie fühle. Und ich fliege auf dem gemeinen Dämon, der mir so oft in die Quere kommt, in alle Himmelsrichtungen, höher und weiter als ich es mir hätte ausdenken können. Im besten Fall kann ich es richtig genießen, nicht nur erleben. Das ist das Schönste: Höhenflüge zu genießen. Denn wovor kommen sie? Richtig: Vor dem Fall. Aber wie tief bin ich denn auch schon gefallen? Wie tief musste ich schon in meine seelischen Abgründe tauchen und im schwarzgetränkten Gefühls-Schlamm wühlen? Ich weiß eines einfach zu gut: Wie schlecht es mir gehen kann. Ich kenne sogar das Gefühl, lieber gar nicht mehr sein zu wollen statt so traurig, so zerfressen von Angst und Wut. Und deswegen feiere ich es so dermaßen, wenn ich einen Höhenflug habe. Ich will diesen Serotonin-Rausch auskosten, will ihn in den Zellen spüren. Will ihn nicht abbrechen lassen, ihn nicht wieder hergeben. Auch wenn es nur ein Tag, oder eine Stunde ist. Manchmal mag das übertrieben wirken – „Chill mal, Kiki, SO cool ist das hier jetzt auch nicht.“ – oder nicht echt. Aber das ist es. Das ist alles Kiki. Eines der schönsten Komplimente, das ich über mich gehört habe, ist: Paradiesvogel. Ich denke damit war nicht der Vertreter einer Singvogelart gemeint, sondern der im Volksmund als solcher betitelte farbenreiche Mensch, der aus der Masse ragt, positiv heraus sticht. Der besonders ist. Der vielleicht auch verrückt tanzt, wie die Männchen der ornithologischen Exemplare. Paradiesvogel mag ich. Und wem es zu bunt wird, der kann ja gehen.
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