Make Social Distancing Great Again!

Uiuiu, was hat 2020 uns schon ins Gesicht geboxt. Und uns die Augen geöffnet. Es sind noch keine acht Monate rum, aber man hat das Gefühl, ein ganzes Jahrzehnt mit Ereignissen gefüllt zu haben.

Die im März auch in Deutschland ausgerufene Pandemie der Covid-19-Infektion spaltet das Land seit Monaten. Nicht nur Deutschland, die ganze Welt ist betroffen. Und es gibt mega viele Meinungen, extrem viele Experten und super viele Spezialisten – in allem. Politisches Engagement war so präsent wie nie – oder ist das nur die gefühlte Wahrheit, weil wochenlang alles lahmgelegt war? Selbst in meinem kleinen Orbit aus Familie, Freunden und Internetbekanntschaften scheiden sich die Geister bei den Themen Übertragung, Vorsicht, regierungsgeführtem Kontrollsystem und Maskenpflicht. In einem sind sich aber fast alle einig: Niemals Attila Hildmann glauben.

Aber auch eine andere Gemeinsamkeit haben die Gespräche mit meinen Liebsten: Jetzt, nachdem bei vielen der (neue) Alltag eingekehrt ist, nachdem die Einhaltung der sozialen Distanz nicht mehr über deinen gesellschaftlichen Wert entscheidet, da sehnen sie – sehnen wir – uns doch wieder nach der Ruhe. Es war für viele angenehm, nicht jedes Wochenende auf Geburtstagspartys oder Grillfesten zu sein. Die Spieleabende mit Freunden fanden irgendwie doch auch lustig übers Handy per Videochat statt, aber es wurden auch weniger. Gut weniger. Natürlich gönnt man jedem Brautpaar die langersehnte Hochzeit, aber die Saison nicht von Trauung zu Trauung zu müssen kam manchen gar nicht ungelegen. Man hat die Umarmungen vermisst, klar. Ich zumindest. Das ausgelassene Zusammenkommen in Bars, der ein oder andere Grill hätte schon mit großer Runde glühen können. Und das Tanzen! Ich vermisse das Tanzen, ganz ehrlich. Aber es waren eher die vielen kleinen Verabredungen, die nun weggefallen waren, die man nicht so sehr vermisste, wie man dachte. Oder nicht? Etwas beschämt geben viele meiner Freunde zu, dass der soziale Druck, auf Geburtstagen von jedem präsent zu sein, doch größer war als gedacht. Denn Erik* findet es unfair, wenn Speedy* nicht auf seiner Party erscheint, egal, ob Speedy das Wochenende davor schon auf zwei Feten getanzt hat und morgen noch der Brunch von ihrer Mama ansteht. Das sind ja Speedys Termine. Erik feiert immerhin nur einmal im Jahr seinen Ehrentag. Tja, dann kam Corona, zack, man brauchte keine Ausreden mehr, wenn man wirklich einfach mal nicht wollte. Nicht weil man Erik hasst oder wen anders scheiße findet, sondern weil das Leben manchmal anstrengend ist und man sich gerne ausruhen möchte. Dafür sollte man sich nicht schlecht fühlen. Wenn man sich für sein Wohl entscheidet sollte das alle respektieren.

Aber mancher scheint in der Corona-Zeit noch ich-bezogener geworden zu sein, als sich vielleicht vorher schon erahnen ließ. Dann wäre eventuell ein Ende dieser Beziehung jeglicher Art sinnvoll. Zumindest für eine Seite. Aber man kann ja auch weniger ein Arsch sein und das Nein als eine Entscheidung sehen, die das Gegenüber ganz für sich allein trifft. Losgelöst von mir, unabhängig sogar. Weil sich vielleicht meine Welt um mich dreht, aber eben nicht die der anderen.

Also, ganz egal, ob ihr an Corona glaubt oder nicht: Make Social Distancing Great Again! In erster Linie für eure mentale Gesundheit. Hört auf, euch für so wichtig zu halten, dass ihr zu einem Termin von jemandem werdet. Wenn die soziale Abstinenz eins gezeigt hat, dann dass es mit den wirklich wichtigen Menschen keine Rolle spielt, wie oft man sich zum Anfassen gegenüber sitzt. Lernt, die Qualität der Zeit zu schätzen, die sich andere Menschen für euch nehmen und seid nicht so stur, ihnen ihre Zeit für sich übel zu nehmen. Nehmt euch stattdessen doch auch mal Zeit für euch. Lohnt sich!

*Ja, ich habe hier die Namen meiner Kuscheltiere benutzt, weil mir einfach keine Namen einfielen, die nicht realen Personen zugeordnet werden und somit vielleicht für Missverständnisse hätten sorgen können.